Ein mittlerweile weit verbreiteter Brauch in afrikanischen
AIDS-Kinderheimen ist das Memory-Book, das Eltern für ihre
infizierten Kinder gestalten. In diesem Buch befinden sich Fotos
und alle wichtigen Informationen über die Familie, die den
Heranwachsenden Auskunft darüber geben, wer ihre Eltern waren, was
der Vater für einen Beruf ausgeübt hat und ob das jeweilige Kind
noch weitere Geschwister hat(te). Oft sind diese Bücher für
Aidswaisen das letzte familiäre Dokument, das ihnen Aufschluss
darüber gibt, aus welcher Familie sie stammen.
Foto: Stella
Rothenberger
Der Betrachter des Musikvideos „Akhona“ befindet sich nun in der
Perspektive zweier Memory spielender Kinder, die mit ihrem Spiel
sozusagen die Welt Akhonas entdecken. Weil der Liedtext eine ganz
klar gegenständliche Geschichte erzählt, habe ich versucht, die
Afrika-Bilder eher abstrakt zu halten. AIDS ist ein Problem, das
Jung und Alt betrifft, es gibt Bezirke in Afrika, wo die Menschen
zu 50% HIV-positiv sind, daher sollte das Schicksal Akhonas auch
als repräsentatives verstanden werden. Ich liefere dem/der
Zuschauer/-in kein Bild von Akhona. Er/sie bekommt hingegen meist
nur kurz viele farbige Menschen zu sehen, von denen jeder infiziert
sein könnte. Der einzige Hinweis darauf, dass bei bestimmten
Personen etwas „anders“ sein könnte, ist die Markierung durch
Stempel, die entsprechende Personen vorwiegend im Gesicht tragen.
Das meist nur sehr kurze Eintauchen in die Afrikawelt spiegelt auch
unsere westliche Informationssituation wider: Immer wieder hört man
etwas von Afrika und seinen Problemen, AIDS wird oft genannt, aber
die wenigsten wissen wirklich fundiert bescheid. Die Nachrichten
sind dann wie ein kurzes Eintauchen in die Welt des schwarzen
Kontinents, aber danach dreht sich unser Leben in den gewohnten
Bahnen weiter.
Meine Entscheidung, die Memory-Szenen in schwarz-weiß zu drehen,
wohingegen die Afrika-Szenen farbig erscheinen, hat verschiedene
Gründe:
Zum Einen wirkte auf mich Afrika, das ich im Februar diesen Jahres
zum ersten Mal betrat, im Vergleich zu Deutschland extrem bunt, was
ich unbedingt im Video auch ausdrücken wollte. Dadurch, dass die
Memory-Szenen farblos sind, erscheint Afrika m.E. verstärkt farbig.
Außerdem wollte ich die beiden Schauplätze (Afrika und
Memory-Setting) deutlich von einander abgrenzen, was nicht nur
durch die Farbgebung unterstützt wird, sondern auch durch die
Kameraführung: Während die westlich anmutende „Memory-Welt“
aufwendig gefilmt wurde, mit Kamerafahrten etc., bleibt die Kamera
in Afrika oft recht schlicht und einfach. Die Afrikabilder wirken
meist wie Fotos.
Foto: Stella
Rothenberger
Abschließen möchte ich mit einem Kommentar zur allgemeinen Stimmung
des Clips:
Vielleicht fragt man sich, ob lässiger Hip Hop der schwierigen
AIDS-Problematik und den für uns fast unvorstellbaren
Lebensverhältnissen dieser Menschen gerecht wird. Ich hatte diesen
Gedanken relativ schnell beim ersten Hören. Ich wusste, dass es um
AIDS ging und ich erwartete „schwere Kost“. Akhona bricht diese
Vorstellung radikal, und das – wie ich im Februar selbst
feststellen konnte – zu Recht: natürlich hat der
Durchschnittsafrikaner materiell viel weniger als der Westeuropäer,
auch sind die Lebensbedingungen für Kinder in den Heimen sehr
schwer, dennoch herrscht dort keine Trauerstimmung. Die Menschen
leben ihr Leben mit dem was sie haben, auch die AIDS-Kinderheime
sind stimmungsmäßig mit einem normalen, uns bekannten Kindergarten
zu vergleichen, wo die Kinder herumtollen und auch ihren Spaß
haben. Von daher greift Akhona auch einen Teil dieser Stimmung auf
und versucht sich darüber der Problematik zu nähern, ohne dabei auf
die Tränendrüse drücken zu wollen.